Der Anstreichergeselle Bernard Zimmermann
und der zweite Bildungsweg
Der mühevolle Lebensweg des jungen Anstreichergesellen Bernard Zimmermann trug seine ersten Früchte in Allagen.
In Driburg als jüngstes Kind von sechs Kindern am 23.12.1880 geboren, absolviert Bernard Ferdinand Zimmermann zunächst die Volksschule, erlernt das Malerhandwerk und schließt sodann eine Ausbildung zum Kirchenmaler an. Sein Vater Conrad Zimmermann, Pächter des städtischen Steinbruchs, hat seine erste Ehefrau Gertrud Pauly sehr bald nach der Heirat verloren, so dass dieser im Jahre 1867 erneut die Theresia Marx heiratet und diese Ehe mit fünf Kindern gesegnet ist.
Bernard der Jüngste der Kinderschar verspürt einen unbändigen Drang zum Priesteramt. Im Alter von 24 Jahren entschließt er sich, Priester zu werden, was bedeutet, dass er das Abitur nachholen muss.
Der Weg zum Abitur
Der Weg zum Abitur gestaltet sich unendlich schwierig, wie seine Biografie zeigt. Danach versuchte er sich am Deutschen Don-Bosco-Institut St. Bonifacius in Penango/Piemont, ohne Erfolg. Der Besuch von Privatschulen in Köln, Lage und Bad Meinberg und der mutige Versuch ohne ausreichende Vorbereitung die Reifeprüfung zu bestehen, geht daneben.
Ein weiterer Versuch in Gelsenkirchen-Schalke als Externer an dem dortigen Gymnasium die Reifeprüfung erfolgreich zu absolvieren gelingt ebenfalls nicht. Das Vertrauen in weitere Privatschulen ist inzwischen vollends verloren. Selbst ein Versuch mit Privatunterricht im universitären Umfeld in Münster zum Erfolg zu gelangen, scheitert.
Er kommt nun doch zu der Erkenntnis, dass er tatsächlich in die Oberstufe eines klassischen Gymnasiums einsteigen muss, um sich auf die Reifeprüfung ordentlich vorzubereiten. Von 16 Bewerbungen an diversen Gymnasien erhielt er 15 Absagen. Er besteht schließlich als externer Schüler im Alter von 31 Jahren die Reifeprüfung am Gymnasium Dionysianum in Rheine.
Es folgen Zeiten des Theologiestudiums in Paderborn und München. Zu Ostern des Jahres 1916 schließt er endlich diese seine schwierigste Lebensphase erfolgreich ab. Er wird in Paderborn zum Priester geweiht. Bernard Zimmermann ist nun bereits 36 Jahre alt. Dieser Lebensabschnitt hat ihn augenfällig und maßgeblich geprägt.
Seine erste Anstellung als Vikar in Allagen
Voller Tatendrang und Willen Veränderungen herbeizuführen tritt er seine erste Anstellung am 23. Mai 1916 als Vikar in Allagen an. Er trifft hier auf Pastor Joseph Schafmeister, als einen großen Gönner und Förderer.
In diese Zeit fällt u.a. die Gründung des Jünglingsvereins, des Gesellenvereins bzw. der Kolpingfamilie Allagen. Ein Gruppenfoto aus dem Jahre 1921 zeigt ihn zusammen mit den Mitgliedern des Jünglingsvereins. Einige Bürger Allagens werden sicherlich noch Vater und Großvater erkennen können.
Gründung einer Schule für junge Männer
In diese Zeit als Vikar in Allagen fällt ebenfalls der Entschluss des Bernard Zimmermann zur Gründung einer Schule für junge Männer, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und das Abitur nachholen wollen. Das Bildungssystem der damaligen Zeit lässt Quer- und Späteinsteiger auf dem Weg zum Abitur nicht zu, wie er selbst leidvoll erfahren musste.
Ein geeignetes Haus zur Umsetzung seiner Vision findet sich nicht in Allagen, sondern in Belecke in Form einer alten Gastwirtschaft. Am 03.05.1922 ist es soweit, die Gründung eines Spätberufenenseminars wird vollzogen und unter den Schutz des heiligen Klemens Maria Hofbauer gestellt. Der bislang für den gesamten deutschsprachigen Raum unbekannte Begriff des Zweiten Bildungsweges ist geprägt.
Die notwendigen Lehrpersonen rekrutiert er aus der näheren Umgebung des Möhnetals, wobei Geistliche und Lehrer ihm zur Seite stehen. In kürzester Zeit erfährt die neue Einrichtung einen wahren Boom an Interessenten.
Das besondere Verhältnis zu Niederbergheim
Ein besonderes Verhältnis hat er zur Bevölkerung in Niederbergheim aufgebaut. Er drängt schon früh und intensiv auf eine Erweiterung der Antoniuskapelle. Im Jahre 1921 gelingt eine größere Erweiterung dieses Kirchenbaus. Der planende und ausführende Architekt ist der in Allagen geborene Josef Ferber aus Soest. Dieser bekommt das Geschick des Bernard Zimmermann, Finanzmittel zu eruieren oder auch Kosten zu vermeiden dahingehend zu spüren, dass er ein Honorar für seine Mühen niemals erhält.
Die Wirkungsphase im Kirchspiel Allagen geht für Vikar Zimmermann dem Ende entgegen. Bereits Ende des Jahres 1922 wird er von seinen seelsorgerischen Pflichten freigestellt, um sich voll und ganz seinem Klemensheim zuwenden zu können. Der rasante Erfolg von St. Klemens spiegelt sich in den ersten erfolgreichen Absolventen im Jahre 1926 wieder.
Erweiterung des St. Klemensheimes
Es folgen die Bemühungen um eine Erweiterung des St. Klemensheimes. Zimmermanns Heimatstadt bietet ihm ein günstiges Grundstück für einen Neubau an, so dass unmittelbar die Planungen einsetzen. Ein ausgelobter Architektenwettbewerb wird von Josef Ferber, Architekt in Soest, gewonnen, der unverzüglich mit dem Neubau beginnt.
Zimmermann erhält für seine Einrichtung keinerlei öffentliche Förderung und Zuwendung, so dass er ausschließlich auf Spenden angewiesen ist. Er ist zeitweise ein Reisender in Sachen Spendensammeln. Man sagt ihm nach, dass er gelegentlich trotz Sammelverbot in der NS-Zeit an einem Sonntag bis zu fünf Predigten hält und das in gesamt Deutschland.
Diese Missionen führen Zimmermann regelmäßig in seine alte Pfarrei Allagen
Besonders die Bevölkerung in Niederbergheim zeigt sich recht spendenfreudig, bis zu einem gewissen Moment als der junge Anton Korb gen. Sille aus Niederbergheim als gelernter Schuhmacher die Möglichkeiten des Driburger St. Klemensheims in Anspruch nehmen soll. Die blauäugige Erwartung auf die Gewährung spezieller Konditionen d.h. ermäßigter Schulgelder, erfüllt sich leider nicht. Die Spendenfreude in Niederbergheim läßt daraufhin rapide nach.
Die Einrichtung in Belecke wird Ende 1934 geschlossen. Sie diente bis dahin als externes Internat. Am 01.04.1941 wird das Klemensheim in Driburg durch die Nationalsozialisten geschlossen und zu einer politisch konformen Lehrerinnenausbildungsstätte umgewandelt.
Bernard Zimmermann ist bis 1948 Pfarrer in Etteln, von wo er bereits ab 1946 erneut aktiv wird. Ab 1946 erfährt die Einrichtung in Driburg die volle Anerkennung als Gymnasium mit Abiturgenehmigung. Der erneute Zulauf in den Jahren danach macht im Jahre 1957 eine Erweiterung um ein Internats- mit Kirchengebäude notwendig.
Gesundheitliche Gründe leiten im Jahre 1959 für Bernard Zimmermann, dem Begünder des heute selbstverständlich scheinenden zweiten Bildungsweges, den Rückzug aus seinem Lebenswerk ein.
Am 04.04.1969, am Karfreitag, stirbt Bernard Zimmermann fast erblindet in Bad Driburg und wird auf dem Hausfriedhof des Klementinum beigesetzt.
Abschließend sei aus eigener Erfahrung eine kleine Anmerkung des Autors zum Segen des ersten Bildungsweges erlaubt: „Die Ausbildung auf dem zweiten Bildungsweg ist in der Regel zeitintensiv und bisweilen sehr anstrengend.“
Ferdinand Ferber
Kleiner Nachtrag
Anton Korb gen. Sillen wurde im Jahre 1963 in Simpelveld in Holland zum Priester geweiht. Er nannte sich nun Gundolf. Eine Gruppe Kolpingschwestern und -brüder aus Allagen ist zu der Feierlichkeit nach Holland gereist.