Krieger- und Landwehrverein Allagen Niederbergheim
Nach den drei sogenannten Befreiungskriegen zwischen 1864 und 1871 stieg Preußen zu einer europäischen Großmacht auf. Spätestens nach dem Sieg im Deutsch-Französischen Krieg 70/71 bewegte sich die vaterländische Begeisterung in ganz Deutschland in ungeahnte Höhen.
Vereinsgründung 1872
Die patriotische Euphorie führte in dieser Zeit allerorts zur Gründung von Kriegervereinen, so auch im beschaulichen Allagen.
Der Krieger- und Landwehrverein Allagen Niederbergheim wurde am 1. August 1872 gegründet, bereits ein Jahr nach der im Januar 1871 ausgerufenen Reichsgründung.
Die Vereinseintragungen begannen am 11. August 1872, es sind erstmalig 29 Mitglieder verzeichnet.
Als Mitglied wurden ausschließlich „gediente vollwertige Männer“ akzeptiert, d.h. sie mussten Soldaten gewesen sein, wie lange auch immer.
Das älteste Mitglied des Vereins war der Leineweber Caspar Joseph Arens, geb. am 22. Dezember 1850 in Mülheim, der dem Verein am 14. April 1874 beigetreten ist und sich nach Allagen verheiratet hatte.(1)
Kriegerdenkmal 1881
Es gibt vage Hinweise, dass im Jahre 1881 von dem Krieger- und Landwehrverein Allagen Niederbergheimein ein Mahnmal errichtet wurde.
Stiftungsfest 1897
Zum 25jährigen Bestehen des Kriegervereins wurde das Stiftungsfest am 1. und 2. August 1897 groß gefeiert. Den 16 Gastvereinen wurde ein umfassendes Programm mit Exkursion zur Bilsteinhöhle in Warstein geboten.
Kriegerdenkmal um 1901
Es spricht einiges dafür, dass zwischen den Jahren 1900 und 1901 das tatsächliche Errichtungsdatum für das hier gezeigte Ehrenmal liegt.
Durch die massiven Erdbewegungen im Zusammenhang mit dem Bau der Eisenbahnlinie von Soest nach Brilon wurde erst die Geländesituation bereitet, um das Ehrenmal errichten zu können.
Im Oktober des Jahres 1900 wird die Einrichtung einer zusätzlichen Haltestelle der Bahnlinie Soest-Belecke-Brilon, die mit Allagen-Dorfstraße bezeichnet wird, beschlossen und errichtet.
Gemäß der Niederschriften von Bernhard Kraft kann man im Gemeindeprotokollbuch lesen:
„Es hat die Gemeinde Allagen am 18. Juni 1901 durch den Amtmann und Vorsteher ein dem Gastwirt Wilhelm Dirks, hier, gehörendes Grundstück, Flur I, Nr. 886/46 in Größe von 85 qm mit dem daraufstehenden Kriegerdenkmal in das Eigentum der Gemeinde übernommen. Der mit dem Allager Kriegerverein festgelegte Kaufpreis von 15,- M ist bereits bezahlt“.(1)
Als eine sekundäre Begleiterscheinung dieses Vereins ist die Ausgründung diverser Musikvereinigungen anzusehen, da zu den damaligen militärischen Ausrichtungen stets Musikkapellen gehörten. Manch ein späteres Mitglied der örtlichen Musikvereinigungen hat sein musikalisches Rüstzeug während er gedient hat erlernt. Sicherlich das sinnvollste Resultat einer militärischen Ausbildung.
Am 11. Februar 1906 findet die Gründungsversammlung des Krieger- und Landwehrvereins Sichtigvor Mülheim statt. Als Gastredner und Motivator erläutert der Werkmeister Joseph Trost aus Allagen die Vorzüge dieses Vereins. Der Verein wird schließlich nach einiger Diskussion gegründet. Da mehrere Mitglieder von Allagen zum neuen Verein wechseln, erhält Allagen eine Abfindung in Höhe von 25.- M.(5)
Franz Roderfeld aus Allagen war von 1930 an bis zu seinem Tod als Vorsitzender des Krieger- und Landwehrvereins Sichtigvor Mülheim tätig.
Feste Feiern, wie sie fallen
Große Festakte waren stets ein besonderes Merkmal für die Vereinstätigkeit.
Die Feierlichkeiten fanden am Kriegerdenkmal und im Gasthof Wrede in Niederbergheim statt.
Kaisers Geburtstag 1912
Im Rahmen eines großen Festaktes wurde am 21. Januar 1912 der Geburtstag seiner Majestät des Kaisers festlich begangen. Vom Vereinshaus, dem Gasthof Dirks, ging es unter musikalischer Begleitung durch den Allagener Pfeifer- und Trommlerkorps und der Musikkapelle Schellewald aus Sichtigvor zum Kirchgang und anschließen zum Kriegerdenkmal.
Die dortige Parade wurde von dem Ehrenpräses Georg Dassel, der übrigens nicht gedient hat, und dem Leutnant der Reserve Georg Dassel jun. abgenommen.
Im Rahmen der Festreden im Vereinslokal wurde speziell der am 27. November 1911 verstorbene Vereinsvorsitzende, der Schreinermeister Franz Wilhelm Schüth, besonders geehrt. Man kam überein, ihm zu Ehren ein lebensgroßes Bild anfertigen zu lassen.
Kaisers Geburtstag wurde mit einer Theateraufführung ergänzt und schloss mit dem obligatorischen Ball ab.
Zeitzeugen wissen zu berichten, dass schon vor der Gründung der Musikkapelle Allagen, im Jahre 1926, bzw. bereits vor dem Weltkrieg zu den Krieger- und Schützenfesten regelmäßig Wandermusikanten aus dem Eichsfeld in Thüringen nach Allagen kamen, um die Feste musikalisch zu gestalten.
Diese Wandermusikanten übernachteten dann bei Gastfamilien im Ort. Unter anderem auch im Gasthof Lenze, in einem kleinen Zimmer über der Gaststätte. Das Zimmer heißt in der Familie heute noch immer „das Musikantenzimmer“.(6)
Noch heute ist der Flecken Hundeshagen als eichsfeldisches Musikantendorf bekannt, da ein großer Teil der Einwohner bis zum Jahre 1958 in die verschiedensten Landesteile zog, um durch Gesang und Musik ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Ob die Allagener Gastmusiker dazu gehörten?
Zu den weiteren Aktivitäten des Kriegervereins ist nur wenig bekannt.
Weltkrieg 1914 – 1918
Für den Verein war die Zeit des Weltkrieges eine sehr intensiv. Eines der wenigen Relikte aus dieser Zeit ist die große Ehrentafel, auf der alle Weltkriegsteilnehmer und leider auch die gefallenen Soldaten zusammen gestellt worden sind. Diese Tafel wird heute im Haus Dassel ausgestellt.
Die anfängliche Begeisterung war schnell verflogen und ist dem Elend gewichen.
Exemplarisch sei hier der Seesoldat Caspar Haarhoff genannt, der am 07.03.1887 in Allagen Oberbergheim geboren wurde. Er leistete seinen Militärdienst von 1907 bis 1910 bei der 5. berittenen Kompanie des III-See-Bataillons. Sein damaliger Einsatzort war die Provinz Tsingtau in Deutsch-China.
Er ist am 11. November 1914 im Kriegseinsatz gefallen.
Die Musikkapelle Allagen notiert in einer Protokollnotiz vom 21. August 1926:
Kriegerverein Allagen: Festzug und anschließend bis 2.00 Uhr Ball in Kühlen Saal.(4)
Kriegerfest 1929
Im Jahre 1929 hatte sich die Musikkapelle etabliert und gehörte zum festen Bestandteil der Kriegerfeste.
Jubiläumsfeier 1932
Die Chronik des Schützenvereins Allagen berichtet, dass man am 10. Juli 1932 das 60jährige Bestehen des Vereins in Verbindung mit dem jährlichen Schützenfest feierte. Das Ehrenmal, so berichtet die Chronik weiter, hat viel selbstlose Arbeit gefordert, denn neben großen Spenden und kostenloser Arbeit sind noch fast 4000.- M aufgebracht worden.(3)
In diesem Jahr war übrigens Franz Michel Schützenkönig.
Das Vereinsleben verlor rapide an Interesse. Am 23. August 1936 fand noch ein Kriegerfest in Allagen statt.(5)
Der Krieger- und Landwehrverein Allagen ist sang- und klanglos entschlafen.
Das Ende 1966
Im Jahre 1966 wurde das Kriegerdenkmal abgetragen, was ein nicht unumstrittener Vorgang war.
Ein neues Ehrenmal dient nun primär der Gefallenenehrung.
Literatur:
(1) Kraft Bernhard: Geschichte des Kirchspiels Allagen, Kraft Bernard, 1967, S. 144, 1967
(2) Stadtarchiv Warstein: 803 1906 Kriegerverein Allagen alte Archiv-Sign.: 94/3, 1906
(3) Chronik, 175 Jahre St. Sebastianus Schützenbruderschaft 1823 e.V Allagen, 1998
(4) Chronik Musikkapelle Allagen
(5) Krieger- und Landwehrverein Sichtigvor Mülheim, Protokolle
(6) persönliche Mitteilung, Familie Wohlmeiner Allagen, 2020